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SQlab 612 ERGOWAVE active

SQlab 612 ERGOWAVE active

Gutes Sitzen auf dem Bike wird meiner Meinung nach durch zwei Faktoren entscheidend beeinflusst: Die individuellen anatomischen Voraussetzungen des Bikers und Gewohnheit.

2011 nahm ich auf meinem 1. SQlab Stufensattel auf einer Messe in Erfurt platz. Mein Sitzknochenabstand wurde vermessen und auf dieser Grundlage in Verbindung mit meiner üblichen Sitzposition wurde für mich die passende Sattelbreite ausgesucht. Nach wenigen Minuten war ich so einen dreistelligen Betrag für einen Sattel los, wo ich zuvor auf 20-30Euro Sätteln saß.

Und nun das Beeindruckende: Es war im ersten Moment nicht besser! Im Gegenteil: Es tat richtig weh! Mein Hintern war das Sitzen auf den Sitzknochen nicht gewohnt. Ich kniff im wahrsten Sinne des Wortes die Arschbacken zusammen und nutzte den mir eingeräumten Testzeitraum bis zu einer möglichen Rückgabe. Und siehe da: Es wurde besser und letzten Endes stellte sich ein richtig gutes Gefühl ein, das mich inzwischen 5 Jahre begleitet. Ich probierte in den letzten Jahren auch andere Sitzkonzepte aus: Ergon, Bontrager, Selle Italia und Co. konnten mich persönlich allerdings nicht überzeugen. Mein Hintern wollte wieder auf die Sitzknochen bzw. auf den Stufensattel. Vielleicht wäre auch ein anderes Konzept möglich gewesen, wenn ich genauso viel Ausdauer beim Probieren gezeigt hätte wie beim SQlab Sattel. Aber die Gewohnheit in Verbindung mit den passenden Maßen meiner Sättel sprach eine deutliche Sprache für mich. Darum ist es für mich umso spannender das neue Sitzkonzept von SQlab auszuprobieren.

Funktionsweise

Um das Wirkprinzip in der Theorie zu fassen, haben wir natürlich in erster Linie die SQlab Homepage bedient. Bei einem Konzept, das die Verbindung aus Anatomie, Wissenschaft und Praxiserfahrungen verbinden will, können die Verantwortlichen selbst am besten erklären, wo sie mit ihrem Sattel hin wollen. Wir haben es uns im Praxistest zur Aufgabe gemacht, die Ansprüche dahingehend zu überprüfen.

Auf der SQlab Homepage heißt es, dass der 612 ERGOWAVE Sattel vor allem für Racer konzipiert wurde. Egal ob auf Rennrad oder MTB, das hochgezogene Heck soll für guten Halt nach hinten und für eine optimale Kraftübertragung sorgen. Die tiefliegende Nase in Verbindung mit der Vertiefung in der Sattelmitte soll mehr Platz und Freiraum im Dammbereich bringen.

Die sich vom Heck nach vorne streckende wellenförmige Erhebung  der ERGOWAVE soll in ihrer Form perfekt zu den meist bauchigen Sitzbeinästen passen und so die Auflagefläche vom Hintern auf dem Sattel vergrößern und dadurch Druckspitzen mindern.

In Punkto tiefliegender Sattelnase weist SQlab Rennfahrer noch ausdrücklich darauf hin, dass bei Rennen nach UCI Reglement die Sattelnase im Niveau maximal 1cm unterhalb der höchsten Erhebung des Sattels liegen darf. Darum müssten Rennfahrer den Sattel entsprechend montieren, dass die Sattelnase leicht nach oben zeigt.

Die SQlab active Technologie beinhaltet, dass verschieden starke Elastomere unter dem Sattel mehr oder weniger seitliche Beweglichkeit des Sattels zulassen. Dies erhöhe die seitliche Beckenbewegung und steigere dadurch die Effizienz der Tretbewegung. Welches Elastomer verwendet werden sollte, richtet sich nach dem Fahrergewicht. Die leichte Vertiefung in der Mitte, ähnlich auch bei anderen Sattelmodellen verschiedener Hersteller soll den Druck auf die empfindlichen Strukturen im Dammbereich minimieren. Auch die flache Sattelnase gehört zur ERGOWAVE. Mehr Fläche soll auch hier für weniger Druckspitzen sorgen. Freigegeben ist der 291 g schwere Sattel (nachgewogen) für eine Belastung bis 100 kg.

Praxistest

Zu Beginn des Tests sollte die Messung des Sitzknochenabstandes stehen. Da ich diesen bereits 2011 durchgeführt habe, 2014 wiederholt habe und, oh Wunder, er sich nicht verändert hat, habe ich mir das dieses Mal gespart. Meine Messungen ergaben bisher einen Sitzknochenabstand von 11,5 cm. Aufgrund meiner bevorzugten Sitzposition sollte ich bei der Sattelbreite 2 cm addieren und käme somit nach Adam Ries auf 13,5 cm. Da es allerdings nur glatte Zentimeterangaben bei den SQlab Sätteln gibt, habe ich mich wieder für einen 14 cm breiten Sattel entschieden. Dieser unterstützt also noch mehr eine aufrechtere Sitzposition. Zudem steht normalerweise zu Beginn des Tests die Wahl des passenden Elastomers (soft, medium, firm) an. Diese unterstützten die Beweglichkeit des Sattels nach rechts und links und geben entsprechend des Fahrergewichts mehr bzw. weniger nach. Ich habe das vormontierte medium Elastomer für meine knapp 74 kg Kampfgewicht beibehalten.

Zu Beginn habe ich den SQlab 612 ERGOWAVE active auf dem Norco Range Enduro montiert. Der Erstkontakt war kurz und knapp: sehr komfortabel. Während ich auf dem herkömmlichen 611 active Sattel eher prominent auf dem Plateu im hinteren Teil des Sattels saß, verlagert sich beim ERGOWAVE Sattel der Schwerpunkt des Sitzens eher in die Sattelmitte. Die weiterhin deutlich sichtbare Stufe stützt beim Sitzen den Hintern nun eher nach hinten ab. Man kann sich richtig dagegen drücken. Der „Eierbecher“ in der Mitte entlastet den Dammbereich spürbar. Die übrige Sattelkonstruktion sorgt für eine große Kontaktfläche zwischen Sattel und Hintern. Auch dieses Sitzen war im ersten Moment ungewohnt. Während die übrigen 611 active Sättel für intensives Sitzen auf den Sitzknochen sorgten, ist beim ERGOWAVE Konzept der Sitzbereich größer und gleichmäßiger verteilt. Die vergleichsweise aufrechte Sitzposition auf dem Enduro erzeugte im ersten Teil unseres Tests jederzeit angenehmes Sitzen auf dem Sattel. Vor allem bergauf zeigte das ERGOWAVE Konzept klare Vorteile gegenüber den üblichen SQlab Sätteln, da wie schon angedeutet die Sattelform das Gefühl erzeugt, den Hintern nach hinten hin zu stützen, wodurch mehr Druck nach vorn erzeugt werden kann. Gefühlt geht es somit leichter bergauf!

Im zweiten Teil unseres Tests habe ich den Sattel auf dem Norco Search Cyclocrosser montiert. Hier wechselt die Griffposition häufiger und somit auch die Sitzposition auf dem Sattel. Die grundsätzlich gestrecktere und tiefere Position auf dem Crosser sorgte gleich für ein anderes Empfinden auf dem Sattel im Vergleich zur eher aufrechten Position auf dem Enduro. Die Druckspitzen verlagern sich bei einer tiefen Sitzposition von den Außenseiten des Sattels eher zur Mitte. Da ich den Testsattel eher etwas zu breit gewählt habe war die Druckverteilung bei einer tiefen Sitzposition nicht so optimal wie bei den aufrechten Positionen. Trotzdem konnte das ERGOWAVE Konzept auch bei wechselnden und tiefen Sitzpositionen überzeugten. Durch die deutlich vergrößerte Kontaktfläche im Vergleich zum herkömmlichen 611 active wurde die Belastung im Vergleich auf eine größere Fläche verteilt und dadurch minimiert. Auch wenn meine Sitzknochen mittlerweile abgehärtet sind, ist es ein sehr angenehmes Gefühl, wenn sich die hohen Belastungen beim Sitzen nicht mehr auf eine kleine Fläche konzentrieren. Zugleich hatte ich nie das Gefühl, dass der empfindliche Dammbereich ungünstig belastet würde.

Fazit

Unser Test beinhaltete vor allem die Unterschiede in der Praxis zwischen dem herkömmlichen SQlab 611 active und dem neuen ERGOWAVE Konzept, getestet am aktuellen Modell 612 ERGOWAVE active.

Das ERGOWAVE Prinzip schiebt die Sitzposition mehr nach vorn. Man sitzt nicht mehr so sitzknochenlastig wie bisher auf den SQlab Stufensätteln. Das Feedback des Sattels ist deutlich anders und es fühlt sich insgesamt harmonischer an. Vor allem bei einer aufrechten Position auf dem Enduro erzeugte der Sattel bei mir in 14 cm Breite einen bequemen und komfortablen Eindruck. Der Test auf dem Crosser bestätigte dieses Gefühl, auch wenn der Sattel für mich persönlich hier aufgund der überwiegend tiefen Sitzposition etwas schmaler sein könnte. Die UVP des Sattels beläuft sich auf 149,95 €. Ein Preis, der sicher kein Pappenstil ist, allerdings in meinen Augen für gutes ergonomisches Sitzen absolut in Ordnung geht. Und wie ich auch beim letzten Test schon bemerkt habe: Meine bisherigen SQlab Sättel leben alle noch, z.T. bereits seit 2011. Das heißt in Punkto Langlebigkeit ist das Geld hier gut angelegt.

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